Expertenwissen zu Digitalisierung & Automatisierung von Geschäftsprozessen
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Themen: Rechnungsverarbeitung | SAP
Öffentliche Stellen in Deutschland und der gesamten Europäischen Union sind dazu verpflichtet, einen barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen zu gewährleisten. Was die rechtlichen Grundlagen dafür sind und was das für die Verarbeitung von eingehenden Rechnungen in SAP bedeutet, erläutern wir in diesem Blogartikel.
Es gibt sowohl auf EU- als auch auf deutscher Ebene gesetzliche Regelungen zu diesem Thema. Die EU-Richtlinie 2016/2102 gibt die Anforderung zum barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen vor. Sie zielt darauf ab, sicherzustellen, dass Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen in der Europäischen Union für Menschen mit Behinderung zugänglich sind.
Die Richtlinie legt Mindestanforderungen für die Barrierefreiheit fest und verpflichtete öffentliche Stellen wie Regierungsbehörden, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser etc. bereits zum 23. September 2019, ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei zu gestalten. Dies soll sicherstellen, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
Die Umsetzung in Deutschland ist geregelt durch die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung - BITV 2.0).
Hier macht es Sinn, tiefer in die Details zu schauen. In Paragraph 2 „Anwendungsbereich“ sind nämlich „elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe, einschließlich der Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und elektronischen Aktenführung“ explizit aufgeführt. Der Fokus der Verordnung liegt also nicht nur auf Websites und mobilen Apps, sondern typische Geschäfts- und Dokumentenprozesse sind genauso im Blick. Die Verarbeitung eingehender Rechnungen ist ein Beispiel dafür.
Bei xSuite betreuen wir relativ viele Kunden im öffentlichen Sektor und haben uns gemeinsam mit diesen intensiv mit der Frage beschäftigt, wie wir die Anforderung nach Barrierefreiheit in unserer Software umsetzen können. Einer unserer Kunden aus dem öffentlichen Sektor hatte daraufhin ein Gutachten zur Barrierefreiheit im Sinne der WCAG 2.1 für unseren SAP-integrierten Rechnungsworkflow beauftragt.
WCAG steht für Web Content Accessibility Guidelines, diese geben einen internationalen Standard für barrierefreies Webdesign vor. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den besonderen Anforderungen von blinden und sehbehinderten Menschen, hörgeschädigten und motorisch eingeschränkten sowie Personen mit kognitiven Einschränkungen. Die relevantesten Aspekte in Bezug auf eine Softwarefachlösung zur Verarbeitung von Geschäftsdokumenten, und damit für unsere Software, sind die Faktoren, die blinde und sehbehinderte Nutzende betreffen, dies war auch der Fokus des Gutachtens.
Das Gutachten wurde vom BliZ, dem Zentrum für blinde und sehbehinderte Studierende der Technischen Hochschule Mittelhessen, erstellt. Dabei wurden 60 Kriterien gemäß dem standardisierten WCAG-Prüfkatalog untersucht, wie beispielsweise der Umgang mit Nicht-Text-Inhalten, Kontrasten, Farben, erweiterten Untertiteln, Beschreibungen, etc. Aus den Ergebnissen hatten sich weitere Aufgaben für uns ergeben, da wir 52 der 60 Kriterien zwar bereits erfüllten, aber einige noch fehlten. Um dieses Leck zu schließen, haben wir unsere SAP-integrierte Eingangsrechnungslösung um einen erweiterten Zugänglichkeitsmodus in SAP Fiori ergänzt. Die neue Version kam 2021 auf den Markt. Wir hatten uns für die Umsetzung in SAP Fiori zum einen deshalb entschieden, weil diese Oberfläche mehr Flexibilität in der Umsetzung bietet als das klassische SAP GUI. Zum anderen wurde Fiori von SAP als zentrale GUI-Strategie für die Zukunft definiert. Der Fokus darauf bietet also auch eine langfristig stabile, strategische Perspektive.
Der erweiterte Zugänglichkeitsmodus kann eingeschaltet bzw. direkt per URL-Parameter mitgegeben werden und verändert die Darstellung in unseren SAP Fiori Apps zur Rechnungsprüfung und -freigabe. Schaltflächen haben dann immer auch einen Text und werden nicht nur mit einem Icon dargestellt. Die Toolbar im unteren Bereich kann ausgeblendet werden, da sie sonst ggf. andere Inhalte überlagern könnte. Diagramme werden durch Tabellen ersetzen und Tooltips als Dialog dargestellt. Diese verschiedenen Zugänglichkeitsoptionen sind auch einzeln auswählbar, um den individuellen Bedürfnissen der Nutzenden gerecht zu werden. Auf diesem Weg kann die Darstellung für die Nutzung eines Screenreaders optimiert werden.
Nach Umsetzung dieser Punkte haben wir eine Nachprüfung durch das BliZ durchführen lassen. Im Rahmen dieser wurde im November 2021 bestätigt, dass unsere Software mit dem erweiterten Zugänglichkeitsmodus für eine barrierearme, elektronische Eingangsrechnungsverarbeitung geeignet ist. Wenn Sie mehr dazu erfahren möchten und das ca. 90-seitige Prüfgutachten anfragen möchten, sprechen Sie uns gerne unter news@xsuite.com an.