Expertenwissen zu Digitalisierung & Automatisierung von Geschäftsprozessen
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Themen: E-Rechnungspflicht | E-Invoicing
Zu der seit 1. Januar 2025 in Deutschland geltenden E-Rechnungspflicht im B2B wurde viel im Vorhinein geschrieben – auch wir haben, in eigenen Blog- und Presseartikeln, bereits intensive Aufklärungsarbeit geleistet. Weil die Sache kompliziert ist (Wer ist betroffen? Welche Übergangsfristen gelten? Welche Formate und Übertragungswege sind erlaubt?) hat sich vor kurzem nun auch noch einmal das Bundesfinanzministerium (BMF) mit einem umfangreichen FAQ-Katalog zu Wort gemeldet. Die wichtigsten Punkte fassen wir hier ordnend zusammen, basierend auf unserem Erfahrungsschatz von über 300 abgeschlossenen E-Invoicing-Projekten und einer Kundenbasis von mehr als 1.600 Unternehmen.
Warum das aktuelle BMF-Schreiben für so viel Aufregung gesorgt hat, ist etwas verwunderlich, denn viele der darin enthaltenen Inhalte sind bereits länger bekannt. Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes – konkret in Artikel 29 – wurde die E-Rechnungspflicht breit behandelt, insbesondere die Änderungen der §§ 24 und 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) wurden dort klar beschrieben und schließlich ins Gesetz übernommen. Das BMF-Schreiben fasst diese Inhalte lediglich nochmals zusammen.
Eine wichtige, informelle Info vorab: Es gibt keinen Grund, in Panik zu verfallen. Ganz einfach, weil faktisch gesehen wohl kein Unternehmen bereits heute eine Flut von E-Rechnungen erhalten hat. Daher ist zwar noch niemand zu spät dran, aber doch ist jetzt die richtige Zeit, das Thema systematisch anzugehen und sich technisch zu wappnen. Denn über die nächsten zwei Jahre (denn dann greift die Versandpflicht auch im vollen Umfang) wird sich das Aufkommen an eingehenden E-Rechnungen kontinuierlich steigern, davor kann niemand die Augen verschließen.
Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass die Pflicht zur Ausstellung von E-Rechnungen nur national gilt. Viele Unternehmen, die sich aktuell an uns wenden oder mit denen wir in Projekten arbeiten, übersehen diesen Punkt. Eine E-Rechnung wird in der Regel innerhalb Deutschlands verschickt. Selbstverständlich ist es technisch möglich, eine E-Rechnung auch ins Ausland zu senden, jedoch besteht dafür keine gesetzliche Verpflichtung. Rechnungen aus dem Ausland unterliegen nicht der deutschen Gesetzgebung und können weiterhin als Papierrechnung oder in anderen Formaten versendet werden.
Wer betroffen ist (alle Unternehmen, die umsatzsteuerpflichtige B2B-Geschäfte in Deutschland abwickeln), welche Formate zulässig sind (maschinenlesbare wie XRechnung oder ZUGFeRD) und welche Übertragungswege („technologieoffen“), wie es mit Fristen/ Übergangsregelungen und der Archivierungspflicht aussieht – das alles findet sich grundlegend im FAQ-Papier. Als Auffrischung der gesetzlichen Grundlage und der technischen Basics siehe auch unseren Blogbeitrag zum Status Quo der E-Rechnung.
Heute wollen wir uns mit einigen Themen des BMF-Schreibens näher befassen, namentlich der Verfahrensdokumentation, der Frage der Ablehnung und Korrektur von Rechnungen und dem Umgang mit Anhängen. Außerdem beleuchten wir internationale E-Rechnungsformate.
Ein zentraler Punkt im BMF-Schreiben ist die Verantwortung des Rechnungsempfängers für die Echtheit der Rechnung. Das bedeutet, dass der Empfänger weiterhin prüfen muss, ob die erhaltene Rechnung tatsächlich vom angegebenen Absender stammt. Folgende Fragen sind dabei relevant:
Kennt der Empfänger die Absenderadresse (z.B. E-Mail-Adresse)?
Stimmt der Rechnungssteller mit einem Geschäftspartner überein, mit dem eine tatsächliche Geschäftsbeziehung besteht?
Weist die Rechnung keine Hinweise auf Betrug (z.B. Fake-Rechnungen) auf?
Der Prozess zur Prüfung und Verarbeitung der Rechnung – sei es per E-Mail oder durch andere elektronische Übertragungswege – muss in der Verfahrensdokumentation des Unternehmens berücksichtigt und festgehalten werden. Die Einhaltung dieser Vorgaben ist essenziell, um sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden.
Eine E-Rechnung ist eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format entsprechend der CEN-Norm EN 16931 ausgestellt, übermittelt und empfangen wird, soviel ist bekannt. Wer eine E-Rechnung ablehnen will, muss dafür formale gesetzliche Anforderungen erfüllen: Die Ablehnung muss künftig grundsätzlich ebenfalls digital erfolgen, und zwar in einer strukturierten Form gemäß der EN 1931. Das XML-Dokument der Rechnung wird also angepasst und die Ablehnung entsprechend zurückgesendet.
Das BMF-Schreiben ist an dieser Stelle allerdings leider nicht ganz eindeutig, ob die Ablehnung bereits jetzt ausschließlich in strukturierter digitaler Form erfolgen muss oder ob dies auch auf Papier möglich ist, wie es derzeit noch gehandhabt werden kann. Es könnte damit zu tun haben, dass es den verpflichtenden E-Rechnungsversand noch nicht gibt. Gleiches gilt für die Berichtigung einer E-Rechnung, die durch Ausstellung einer neuen E-Rechnung mit den korrigierten Daten erfolgt. Auch hier bleibt das BMF-Schreiben im Vagen. Wir verfolgen dies weiter und werden informieren, sobald wir neue Informationen haben.
In der Praxis enthalten heute Papier- wie PDF-Rechnungen oft Anhänge (z.B. Bauzeichnungen oder Dienstleistungsberichte, etc.). In der EN 16931 für die E-Rechnung sind solche Anhänge klar definiert. Es gibt festgelegte Formate wie PDF, PNG, JPEG, XML und CSV, die als Anhänge akzeptiert werden. Diese Anhänge gelten als rechnungsbegründende Anlagen und müssen gemäß EN 16931 archiviert und berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass man verpflichtet ist, diese Formate zu akzeptieren und auch entsprechend zu speichern.
Neben der EN 16931 gibt es auch verschiedene Ableitungen und andere Formate wie die XRechnung. Diese umfasst weitere Formate, die in der EN 16931 nicht enthalten sind, wie Excel, ODS (OpenDocument-Format für Tabellenkalkulationen) oder OIOL. Je nach Land können also unterschiedliche Formate und Anhänge verwendet werden und es gibt eine Vielzahl von E-Rechnungsformaten, die den unterschiedlichen nationalen und internationalen Anforderungen entsprechen. Entscheidend ist, die EN 16931 als Grundlage zu verwenden, aber auch die jeweiligen nationalen Regelungen und Formate zu berücksichtigen, die ebenfalls verpflichtend sein können.
Die E-Rechnungen soll Standardisierung bringen, allerdings bisher hauptsächlich auf nationaler Ebene. Auf europäischer Ebene gibt es analoge Bestrebungen, doch eine einheitliche europäische Standardisierung steht noch aus. In Deutschland, wie im aktuellen BMF-Schreiben beschrieben, sind explizit die Formate ZUGFeRD und XRechnung genannt. Ein weiteres wichtiges Format (das im BMF-Schreiben jedoch nicht direkt erwähnt wird) ist BisBilling. Dieses ursprüngliche, von der EU als verpflichtend eingeführte E-Rechnungsformat wird in vielen europäischen Ländern verwendet, in der aktuellen Version 3.0 ist es sogar das am weitesten verbreitete E-Rechnungsformat in Europa. Man sollte es, neben ZUGFeRD und XRechnung, also im Blick behalten, selbst wenn es in Deutschland derzeit noch nicht verpflichtend ist.
Daneben gibt es eine Vielzahl anderer Formate, die ebenfalls die EN 16931-Norm einhalten und in verschiedenen Ländern verwendet werden, darunter z.B. OiUBL (Dänemark), AUS (Australien), EHF (Schweden) oder FatturaPA (Italien). Jedes von ihnen ist von den jeweiligen nationalen Gesetzgebungen abhängig und muss beachtet werden. Wer also innerhalb von Deutschland eine FatturaPA-Rechnung erhält, ist verpflichtet, sie zu verarbeiten, da es sich um eine offizielle E-Rechnung handelt.
Dies ist eine der wenigen Schwachstellen in der aktuellen Gesetzgebung, da die Regierung keine spezifische Hintertür für abweichende Formate gelassen hat. Das bedeutet, dass grundsätzlich jedes Format, das die Anforderungen der EN 16931 erfüllt, zugelassen wird.
Alles in allem lässt sich sagen: Insbesondere die Formate ZUGFeRD und XRechnung sind für den deutschen Markt von Bedeutung. Aber behalten Sie BisBilling 3.0 sowie andere europäische Formate im Blick, um für den internationalen Rechnungsaustausch gut vorbereitet zu sein.
Das BMF-Schreiben ist ein sehr hilfreiches Dokument, das die gesetzliche Lage gut zusammenfasst. Eine Quintessenz dürfte sein: Die E-Rechnung kann derzeit noch nicht alle Anforderungen der Buchhaltung vollständig abdecken. Sie wird zwar die Digitalisierung vorantreiben, stellt aber kein Allheilmittel dar, da gerade bei komplexen Fällen wie Teil- und Schlussrechnungen weiterhin eine manuelle Prüfung erforderlich ist.
Als ein auf die Rechnungsverarbeitung spezialisierter Softwarehersteller sehen wir in der neuen E-Rechnungspflicht gleichwohl zahlreiche Vorteile. Effizienzsteigerung, digitale Transformation und die Harmonisierung von Verfahrensabläufen sind wesentliche Ziele, die wir uneingeschränkt unterstützen. Ein Beispiel für Effizienzsteigerung: Der bislang größte Schwachpunkt bei der Rechnungserfassung liegt in den Beleglesungsergebnissen, da diese nicht immer 100 % erreichen. Mit der E-Rechnung ist man diesem Ziel deutlich näher, da die Daten standardisiert und digital verfügbar sind.
Die gesetzlichen Vorgaben wie die Empfangspflicht ab dem 1. Januar 2025 und die Übergangsfristen bis 2026 bzw. 2027 ermöglichen Unternehmen, sich auf die Umstellung vorzubereiten. Rechnungen können bis Ende 2027 weiterhin per EDIFACT verschickt werden, wenn eine entsprechende Vereinbarung getroffen wird. Wer seit 1. Januar 2025 noch nicht empfangsbereit ist, hat zumindest die Möglichkeit, E-Rechnungen über ein E-Mail-Postfach zu erhalten, um rechtlich abgesichert zu sein. Automatisierte Prozesse zur Weiterverarbeitung von Rechnungen werden zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch nicht flächendeckend verfügbar sein. Das Risiko, zu viele E-Rechnungen zu erhalten, dürfte zu Beginn jedoch gering sein.
Wer sich tiefer mit den rechtlichen Grundlagen und der Umsetzungsstrategie befassen möchte, findet nachfolgend alle notwendigen Informationen, von den grundlegenden Gesetzestexten bis hin zu den jeweiligen Änderungen und Anpassungen: