Expertenwissen zu Digitalisierung & Automatisierung von Geschäftsprozessen
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Themen: SAP | Rechnungsverarbeitung
Viele SAP-Anwenderunternehmen nutzen schon seit geraumer Zeit Add-on-Lösungen, um den Funktionsumfang des SAP-Standards zu erweitern und zu verfeinern. Bei der Auswahl dieser Add-on-Lösungen, zum Beispiel für die Rechnungsverarbeitung, galten bislang zwei Punkte als goldene Regel:
1. Die Software muss möglichst tief ins SAP-System integriert sein.
2. Die Lösung muss von SAP zertifiziert sein.
Diese beiden Punkte waren quasi in jeder Ausschreibung zur Auswahl eines Workflowsystems als Checkbox zu finden, die abgehakt werden musste.
Mit dem Clean Core und der Cloud ist es zu einem Paradigmenwechsel gekommen, der sich auch an dieser Stelle zeigt. Eine tiefe SAP-Integration und der Clean Core passen nicht zusammen. Die Cloud sorgt mit ihrer Innovationsgeschwindigkeit dafür, dass Zertifizierungen deutlich weniger langlebig sind als bisher. Damit stehen SAP-Anwender vor der Frage: Auf welche Kriterien sollte ich dann bei der Auswahl einer Workflowlösung für S/4HANA achten?
SAP empfiehlt mit dem Clean-Core-Ansatz, dass keine Änderungen am System-Kern vorgenommen werden. Eine tiefe Integration bedeutet genau das Gegenteil, nämlich dass direkt am System-Kern angedockt wird. Es gibt aber Möglichkeiten, diesen Widerspruch aufzulösen oder zumindest zu entzerren. Wenn die Add-on-Lösung gemäß der von SAP definierten Vorgaben entwickelt ist und auf die entsprechenden Technologien setzt (z.B. ABAP Cloud statt „klassischem“ ABAP), bestätigt SAP auch weiterhin die Lauffähigkeit für S/4HANA mit einer Zertifizierung, sodass diese integrierten Lösungen genutzt werden können.
Die elegantere, von SAP empfohlene Lösung ist es jedoch, stattdessen auf „Side-by-Side“-Lösungen zu setzen. Diese werden nicht in das SAP-System integriert, sondern über die SAP BTP angebunden. Damit bleibt der Systemkern in jedem Fall unangetastet und der gewünschte Nutzen, nämlich die Erweiterung und Verfeinerung des SAP-Standards, kann trotzdem erzielt werden. Der Haken hier ist, dass die Auswahl an Lösungen, die dieses Szenario unterstützen, bislang noch begrenzt ist. Für SAP-Anwenderunternehmen heißt das: In einigen Bereichen, kann eine SAP-integrierte Lösung (aktuell noch) die beste Option sein, in anderen Bereichen bietet sich eher eine Lösung an, die über die SAP BTP angebunden ist.
Bisher waren SAP-Zertifizierungen für 3 Jahre gültig, daran hat sich auch mit S/4HANA nichts geändert. An dieser Stelle gibt die Cloud aber ein ganz neues Tempo vor. Neue Versionen der S/4HANA Cloud Private Edition gibt es in der Regel jedes Jahr, in der Public Cloud sind Updates sogar noch häufiger. Damit verlieren Zertifizierungen, die sich auf einen konkreten Versionsstand von S/4HANA beziehen, schnell ihre Aktualität.
Zudem gibt es für die verschiedenen (Cloud-) Modelle von S/4HANA nicht die eine Zertifizierung, die alles abdeckt. Statt dessen gibt es separate Zertifizierungen für RISE with SAP, GROW with SAP, Clean Core, S/4HANA, S/4HANA Cloud, etc. Damit wird es für SAP-Anwender unübersichtlich, welche Zertifizierung für das eigene Szenario wirklich relevant ist. Das Häkchen „SAP-zertifiziert“ allein reicht nicht mehr als pauschales Auswahlkriterium aus.
Wenn Sie ebenfalls vor der Herausforderung stehen, welche Kriterien Sie bei der Auswahl einer Workflowlösung für SAP anlegen sollten, haben wir einige Tipps für Sie. Diese Fragen sollten Sie beim Hersteller stellen bzw. dazu gezielt nachfragen:
Wenn angegeben ist, dass „S/4HANA Cloud“ unterstützt wird, was ist damit genau gemeint? Handelt es sich um die Private Edition oder ist die Public Edition gemeint?
Wie erfolgt die Anbindung ans SAP-System? Handelt es sich um eine integrierte Lösung? Oder läuft die Lösung auf der SAP Business Technology Platform und wird darüber angebunden?
Wie heißt genau die Zertifizierung, die die Lösung hat? Sind es ggf. auch mehrere Zertifizierungen für unterschiedliche Szenarien? (Beispiel: Die Zertifizierungen „Integration with SAP S/4HANA Cloud” und „Integration with Cloud Solutions“ und „Integration with RISE with SAP S/4HANA Cloud” haben zwar alle „Cloud“ im Namen, jedoch lautet die aktuelle Public Cloud-Zertifizierung: „for Clean Core with SAP S/4HANA Cloud”.)
Wenn Ihr S/4HANA-System in die Public Cloud soll: Ist die Lösung auch im SAP Store verfügbar (dort werden nur Lösungen gelistet, die den SAP Application Readiness Check bestanden haben)?