Expertenwissen zu Digitalisierung & Automatisierung von Geschäftsprozessen
Expertenwissen zu Digitalisierung & Automatisierung von Geschäftsprozessen
Themen: Rechnungsverarbeitung | Shared Service Center | Fachkräftemangel
Ich habe neulich den Vortrag eines Key Account Managers gehört, der in einem Shared Service Center tätig ist. Dieses betreut rund 40 Auftraggeber, insbesondere im Bereich der Finanzprozesse. Das Thema lautete „Automatisierung im Shared Service Center“. Der Vortrag war wirklich gut und ein Zitat fand ich besonders einprägsam:
„Vor 10-15 Jahren war Automatisierung kein Thema. Wenn ein Kunde mit aufwändigen Prozessen kam oder das Belegvolumen stieg, haben wir einfach noch ein paar Leute eingestellt. Die konnten wir zusätzlich abrechnen, alle waren glücklich. Heute, in Zeiten von Vollbeschäftigung und Fachkräftemangel, geht das nicht mehr. Wir bekommen einfach nicht mehr die Leute ran, für so klassischen Abtipp-Kram. Automatisierung ist da unsere einzige Chance!“
Mit dem Zitat wird deutlich, dass Prozessautomatisierung in der Praxis nicht mehr einfach nur „nice to have“, sprich die Kür nach der Pflicht ist. Die Automatisierung von Arbeitsschritten kann heute eine absolute Notwendigkeit darstellen und unerlässlich sein. Aber was ist denn jetzt anders? Woran liegt es, dass Automatisierung heute einen wesentlich größeren Stellenwert einnimmt, eine ganz andere Dringlichkeit, als noch vor wenigen Jahren?
Der Grund dafür liegt in verschiedenen Entwicklungen. Dank der aktuellen wirtschaftlichen Lage herrscht in Deutschland nahezu Vollbeschäftigung. Dadurch gibt es einen Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter/innen. Diese Situation wird sich in den nächsten Jahren nicht entspannen. Ganz im Gegenteil: Die geburtenstarken Jahrgänge der „Baby-Boomer“ (ca. 1955-65) gehen in den nächsten Jahren nach und nach in den Ruhestand, dadurch wird der Fachkräftemangel noch verstärkt werden.
Der demografische Wandel macht sich bereits jetzt beim Berufsbild „Buchhalter/in“ bemerkbar. Insgesamt ist die Anzahl der Buchhalter/innen in Deutschland von 1993 auf 2011 deutlich zurückgegangen (von 237.295 Erwerbstätigen auf 177.057, das entspricht einem Minus von 25%). Insbesondere der Anteil der Buchhalter/innen unter den jungen Beschäftigten hat sich mehr als halbiert: 1993 waren 0,28% der 25-Jährigen als Buchhalter/in beschäftigt, 2011 waren es nur noch 0,13%.1
Zudem haben die qualifizierten, jungen Beschäftigten, die jetzt in das Berufsleben eintreten, eine andere Erwartungshaltung. Einerseits gibt es bei diesen „digital Natives“ eine deutlich höhere Akzeptanz gegenüber digitalen Assistenten und Apps. Zum anderen sind diese nicht mehr bereit, repetitive, monotone Aufgaben als zentralen Bestandteil ihrer täglichen Arbeit zu erledigen. Dateneingabe, zum Beispiel das Abtippen von Rechnungsinhalten in ein ERP-System, ist ein typisches Beispiel dafür.
Und so kommen verschiedene Einflüsse zusammen: Qualifizierte Mitarbeiter/innen sind immer schwerer zu finden – insbesondere in der Buchhaltung. Junge Angestellte sind neuen Technologien gegenüber meist aufgeschlossener und haben wenig Interesse an besagtem „Abtipp-Kram“. Der Bedarf an Automatisierungslösungen für Buchhaltungsprozesse sowie ihre Akzeptanz sind somit deutlich gestiegen.
Die Entwicklungen am Arbeitsmarkt greifen zuerst bei Shared Service Centern, die sich auf personalintensive Dienstleistungen wie operative Finanzprozesse spezialisiert haben. Doch auch Unternehmen mit eigener Buchhaltungsabteilung stehen diese neuen Herausforderungen in ähnlicher Weise bevor.
1Quelle: "Berufe im Demografischen Wandel", Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund, 2013